Nepal-14 Tage danach
Ein Mitarbeiter der Entwicklungsinitiative Provide e.V. Angelbachtal...
Ein Mitarbeiter der Entwicklungsinitiative Provide e.V. Angelbachtal, seit vielen Jahren als Ingenieur helfend in Nepal tätig, koordiniert zusammen mit seinem deutschen Kollegen Hilfseinsätze im Erdbebengebiet. Ihn hören wir hier im Interview:
Was hat Sie beim Erdbeben in Nepal am meisten betroffen gemacht? Zu sehen, wie ein zu den zwanzig ärmsten Ländern weltweit zählendes Land wie Nepal, durch eine solche Katastrophe – wortwörtlich- erschüttert wird. Und wie lange es in den nicht so schlimm betroffenen Gegenden gedauert hat, bis realisiert wurde, was da geschehen ist und welche Ausmaße das hat.
Welche besondere Situation hat Sie persönlich bewegt? Am zweiten Tag nach den Beben kamen wir mit unserem Ärzteteam in Gorkha an und versorgten die Menschen in den Dörfern. Ein lokaler Sozialarbeiter, der mit uns in den zerstörten Dörfern unterwegs war, führte uns zu einem der Häuser, indem eine ältere Frau verschüttet wurde. Dem weinenden Sohn haben wir eines der wenigen Zelte, die wir dabei hatten, gegeben. Erst hier wurde mir bewusst, wie wenig wir wirklich tun können und wie groß diese Tragödie für die Menschen hier ist.
Wie erleben Sie die gemeinsamen Hilfsaktionen mit Einheimischen und Ihnen als ausländischer Fachkraft? Die Zusammenarbeit ist sehr gut. Unsere Organisation, mit der wir hier lokal arbeiten, arbeitet schon seit mehr als 60 Jahren Hand in Hand als gleichgestellte Partner mit westlichen Mitarbeitern und Nepalesen. Wir sprechen alle Nepali und das hat diese Hilfsaktion sehr einfach gemacht. Der Slogan auf unseren T-Shirts lautet: „Lets unite for help (Wir sind zusammen gekommen, um zu helfen)“.
Was hat Sie bei den Hilfsaktionen am meisten beeindruckt? Normalerweise ist hier immer alles sehr kompliziert. Aber nachdem klar war, was hier passiert ist, packten alle mit an. Lokale Organisationen, Kirchen und Geschäftsleute haben sich für ihre Landsleute zusammengetan und verantwortlich gefühlt. Die Eigenhilfe in Nepal war schon voll im Gange, bevor überhaupt die ersten internationalen Krisenteams im Land ankamen.
In wie fern wird das Erdbeben Ihre Zukunft verändern? Ich weiß nicht, ob es meine persönliche Zukunft langfristig verändern wird, aber es wird auf jeden Fall einen großen Teil unserer Arbeit in den nächsten Jahren beeinflussen. Und ich denke es hat Nepal verändert. Bis jetzt gab es keine reale Angst vor Erdbeben, nun steht die Angst im Vordergrund.
Was erhoffen Sie sich in naher Zukunft? Dass wir den Menschen auch mittelfristig helfen können. Mein großer Wunsch ist, dass Nepal - auch wenn es aus den Medien verschwunden ist - weiterhin Hilfe bekommt.
Vielen Dank für das Interview.
Nepal im Überblick: Nepal zählt mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von ca. 500 € zu den 20 ärmsten Ländern der Erde. Das Erdbeben hat mehr als 8 Mio. Menschen betroffen; mehr als 3 Mio. Menschen sind auf Nahrungsmittelversorgung angewiesen In den betroffenen Gebieten sind über 90% aller Häuser zerstört oder unbewohnbar (ins. ca. 500.000 Häuser), der Großteil des Tierbestandes ist dem Beben zum Opfer gefallen. Es gibt kaum noch Infrastruktur: Schulen, Gesundheitsstationen, Straßen etc. sind zerstört oder durch die folgenden Erdrutsche unzugänglich. Seit einigen Tagen regnet es, der Monsun hat begonnen. Die Menschen brauchen dringend regenfeste Unterkünfte, aber momentan sind Zelte und Planen überall ausverkauft. Die NGO (Nichtregierungsorganisation) liefert mit Helikoptern und LKWs tonnenweise Nahrungsmittel, Zelte, Matratzen und Decken in die betroffenen Gebiete. Die Menschen, die alles verloren haben brauchen langfristig Hilfe.
Die Mitarbeiter von Provide e.V. werden sich in Zusammenarbeit mit der NGO vor Ort langfristig für die Erdbebenopfer einsetzen: Sowohl in der medizinischen Unterstützung, in der Nothilfe mit Hilfslieferungen als auch im Wiederaufbau des Gesundheitssystems.